Die Fondsbesteuerung , die in 2018 eingeführt worden war, verunsichert auf breiter Front die Anleger – wie wird das denn nun genau gehandhabt? Wird uns Geld abgezogen, bevor wir es überhaupt verdient haben? Ist es denn tatsächlich einfacher geworden, so wie uns versprochen worden war? Macht es überhaupt noch Sinn, in ETFs oder Fonds zu sparen?

Ich gebe zu, als ich die neue Regelung das erste mal gelesen habe, kam ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus: Was wollen die von uns? Vorabsteuer? 15% dort, 70% woanders, 30% hier und 25% da? Das eine bezahlt der Fonds, das andere ich? Um die Fragezeichen aus meinem Kopf herauszubekommen, habe ich Tage gebraucht. Zurückgeblieben ist ein diffuses Gefühl der Hilflosigkeit: Wenn ich schon so lange brauche, die Unterschiede zu verstehen, wie soll es da erst den ganz normalen Anlegern gehen?

Abschreckende Wirkung auf Einsteiger und Normalanleger

Ganz davon zu schweigen, welche Wirkung diese komplizierte Besteuerung auf Neulinge hat: Nicht nur, dass sie ja sowieso noch unsicher sind, was die Anlage in ETFs überhaupt angeht – jetzt kommen zum Teil wunderbare (und ganz viele grausige!), meist hochkomplexe Erklärungen über diese ominöse Besteuerung dazu. Deshalb fragen sich viele:

Wie jetzt – bisher galten ETFs doch als super Mittel der Wahl?

Diese Antwort vorweg:
Es bleibt dabei. ETFs (und gemanagte Fonds wenn es sein muss) sind und bleiben ein super Mittel der Wahl.

Muss ich jetzt dafür, dass ich vorsorge, doppelt und dreifach Steuern zahlen?

Nein. Dein eingesetztes Kapital hast Du bereits versteuert. Es geht jetzt nur um die neuen Erträge, die Du mit diesem Kapital zusätzlich erwirtschaftest. Bevor Du dich darüber aufregst, eine Anmerkung: Wir haben uns in unserem Sozialstaat darauf geeinigt, dass alles was verdient wird, auch besteuert wird. Warum sollte das beim „Geld verdienen mit Geld“ anders sein?

Nimmt man mir jetzt mehr weg als vorher?

Najein. Ein kleines bisschen. Aber: Es ist keine effektive Steuererhöhung, sondern entsteht durch eine Verschiebung der Zahlungszeitpunkte (und Zeit ist in der Geldanlage immer mit Geld gleichzusetzen) und der rechtmäßigen Eintreibung eines Steueranteils, der dem Fiskus schon die ganze Zeit zugestanden hätte. Damit sind wir schon voll im Thema drin….

Wozu überhaupt der ganze Zinnober?

Es gibt zwei Gründe, warum diese neue Berechnungsmethode eingeführt wurde:
Zum einen war es dem Fiskus schon lange ein Dorn im Auge, dass ausländische Aktienfonds Fonds die sogenannte Quellensteuer abführen, deutsche Fonds jedoch auf dieser Ebene steuerfrei waren. Das heißt, deutsche Anleger zahlten innerhalb ihrer Fondsanlage zwar Steuern an fremde Staaten, ausländische Anleger aber nicht an uns. Da wir dem deutschen Kind natürlich einen anderen Namen geben müssen, heißt diese Quellensteuer bei unseren inländischen Fonds Körperschaftssteuer und wird zukünftig mit 15 Prozent auf deutsche Dividenden, deutsche Miet­erträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien erhoben.
Zum anderen war es der Fiskus wohl leid, bei bestimmten Aktienfondsarten (bei synthetischen , bzw. bei physischen thesaurierenden) entweder auf die anfallende Steuer bis zum Verkauf warten zu müssen, bzw. die beim Anleger als auch beim Finanzamt heftige Papierschlacht mit den jeweiligen Abrechungen zu bewältigen.
Also hat man sich für alle Fonds, die einen Aktienanteil von mindestens 51% Aktien haben – darunter fallen natürlich alle Aktien-ETFs – eine komplett neue Berechnungsmethode überlegt, die sicherstellen soll, dass alle Sorten von Aktienfonds gleich und vor allem jährlich besteuert werden.

Wo darf ich Dich abholen?

Herausgekommen ist dabei eine vollkommen neue Wortwelt, neue Zinssätze, deren Herkunft ich beim besten Willen nicht ordnungsgemäß herausfinden konnte und ein hochgradig verwirrtes Fondspublikum. Um diese Verwirrung zu lindern und Dich dort abzuholen, wo Du gerade stehst (ich hasse diesen Spruch – hier passt er aber so gut, dass ich nicht widerstehen kann), habe ich mir überlegt, Dir zwar alle Informationen anzubieten, Dich aber einzuladen, nur das zu lesen, was Dich auch betrifft: Zu viel Information kann Dir nämlich doch das Hirn verstopfen und zwar dann, wenn Du sie überhaupt nicht in Dein System (also in Deinen bisherigen Wissenstand) einsortieren kannst und Dir somit der Zusammenhang fehlt.
Also: Lass uns loslegen, welcher Typ Aktien-Fonds / -ETF-Anleger bist Du?

  • Ich kaufe schon ewig Fonds und ETFs, habe mich aber nie großartig um die Steuern gekümmert: Lies bitte bei „Du hast schon ewig Aktienfonds“ und „Du hast schon lange Aktienfonds und hast Dich nie für die Steuerthematik interessiert“ weiter.
  • Ich will im Grundsatz wissen, wie die neue Besteuerung von der Logik her funktioniert, brauche es aber nicht in aller Tiefe, weil ich davon ausgehe, dass ich die Bescheinigungen meiner Bank nicht nachrechnen muss: Lies bitte bei „Ich bin Neu- oder Bestandsanleger und die Steuern interessieren mich nur am Rande“ weiter.
  • Ich nehme diesen Tag 0 zum Anlass, mich doch mal näher mit der Besteuerung zu beschäftigen und will zukünftig prüfen können, ob meine Bank ihren Job auch wirklich gut macht: Lies bitte bei „Du bist stark interessierter Neu- oder Bestandsanlegeranleger und will es ganz genau wissen“ weiter.

Du hast schon ewig Aktien-Fonds

Okay, dann zuerst zu Deinem Altbestand von vor 2009, von dem Du glauben durftest, er würde Dir bis in alle Ewigkeit steuerfreie Gewinne bescheren: Pustekuchen. Da es nunmehr keine verschiedenen Fondsbesteuerungen mehr geben soll, werden diese Fondsanteile nahtlos in die neue Berechnungsmethodik übernommen. Sie werden – rein buchhalterisch natürlich – am 31.12.2017 verkauft und dann behandelt, als würdest Du sie am 1.1. 2018 gekauft haben.
ABER: Um keinen riesigen Unmut zu erregen und sich wegen gebrochener Versprechen verantworten zu müssen, klebt man Dir das Trostpflaster eines üppigen Freibetrages auf Dein blutendes Anlegerherz: Du musst aus diesem Altbestand heraus erst Steuern zahlen, wenn Deine Gewinne daraus die neue Altbestands-Freigrenze von 100.000,- € überschritten haben. Wenn Du also Deine Aktienfonds 2008 zu 20.000,- € gekauft hast und sie bis dieses Jahresende auf 70.000,- € gestiegen sind, so sind Deine 50.000,- Gewinn nach wie vor steuerfrei.
Ab 2018 darfst Du mit diesem „neuen Altbestand“ von 70.000,- € bis auf 170.000,- € klettern, bevor die neue Besteuerung bei Dir greift. In diesem Beispiel und bei 6% Rendite jährlich brauchst Du mehr als 15 Jahre, bis Du tatsächlich Steuern zahlen musst. Bis dahin ist noch viel Wasser unsere Flüsse entlang geflossen…. und wahrscheinlich haben wir bis dahin auch noch viele Steuerreformen gesehen.

Für Deine zwischen 2009 und 2018 gekauften Fonds und ETFs gilt die gleiche Spielregel, nur ohne Altbestands-Freigrenze: Der 1.1.2018 ist Tag 0. Alles, was nunmehr in Deinem Depot liegt und alles, was Du zukünftig dazukaufst, unterliegt der neuen Rechenmethode.

Du investierst schon lange in Aktien-Fonds und -ETFs und hast Dich nie für die Steuerthematik interessiert

Bleib dabei. Wenn Du es zufrieden warst und Dich bis heute darauf verlassen hast, dass die Bank Dir schon die richtigen Bescheinigungen für Deine Steuererklärung ausstellt, die rechten Steuern abführt und Du ansonsten mit Deinen Anlagen und Deiner Strategie im Reinen bist, gibt es keinen Grund, an dieser Verhaltensweise etwas zu ändern. Die größte Änderung besteht darin, dass Dir einige Zinseszinsen entgehen, weil der Zeitpunkt, an denen die Steuern auf Deine Erträge gezogen werden, auf das jeweilige Entstehungsjahr vorverlegt wurde (was weg ist, kann keine Rendite mehr erwirtschaften). Das ist zwar sehr schade, wirft Dich aber nicht wesentlich beim Erreichen Deiner Ziele zurück: Ob Du jetzt im April oder im Mai 20XX aufhören kannst, zu arbeiten, zerstört nicht Deine Lebensplanung. Du brauchst also kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Du Dich nicht weiter mit etwas beschäftigst, was Dich im Grunde nicht interessiert.
Koch´ Dir einen Kaffee und lies etwas Erbaulicheres.

Du bist Neu- oder Bestandsanleger und die Steuern interessieren Dich nur am Rande

Egal, ob Du Dir inländische oder ausländische, synthetische oder replizierende Aktien-ETFs ausgesucht hast, uns interessiert steuerlich nur noch die Unterscheidung zwischen ausschüttenden und thesaurierenden Fonds. Um Steuern zahlen zu dürfen (warum dürfen? Dazu komme ich gleich.) muss in jedem Jahr folgendes passiert sein:
– Du hast einen Wertzuwachs, Dein Fonds ist also gut gelaufen und/oder
– Du hast Ausschüttungen erhalten und
– Du bist über Deinem Freistellungsauftrag von 1.000,- € für Dich alleine (zusammen mit Deinem Ehepartner 2.000,- €).

Das bedeutet: Läuft Dein ETF – und jedes Jahr wird hier einzeln betrachtet – seitwärts oder macht gar Verlust, zahlst Du auch keine Steuern. Wenn er nur kleine Gewinne macht und /oder nur wenig ausschüttet, zahlst Du ebenfalls keine Steuern, denn kleine Gewinne sind noch über den Freistellungsauftrag steuerfrei.
Also: Du willst bitte gerne Steuern zahlen, denn das bedeutet, dass Dein Depot sich so gut entwickelt hat, dass Du mehr als 1000.- / 2000,- € mit deinen Geldanlagen verdient hast.
Wenn es denn soweit ist, so musst Du von Deinem steuerlich relevanten Ertrag eine Abgeltungssteuer von 26,38% + KiSt.bezahlen, also gut ein Viertel.

Was bedeutet „steuerlich relevanter Ertrag“?

Man hat sich einen geschickten Trick ausgedacht: Da man davon ausgeht, dass Aktienfonds über lange Zeit gesehen immer Gewinne machen (juhuu, in den Köpfen ist etwas angekommen!) hat man eine sogenannte Vorabpauschale kreiert, ganz ähnlich der Steuervorauszahlungen, wie Du sie vielleicht aus dem Einkommenssteuerrecht kennst. Diese Vorabpauschale besteht aus einem prozentualen Anteil Deines Fondsvermögens am Jahresanfang – und dieser Anteil beruht auf einem Basiszins, der jedes Jahr neu festgesetzt wird und sich am Markt orientiert. Die letzten Jahre war dieser Basiszins dann logischerweise sehr niedrig oder sogar negativ (damit entfällt natürlich auch eine Vorabsteuerpauschale), für 2023 liegt er bei 2,55%, die dann nochmal um einen Kostenanteil und um eine Berücksichtigung der Quellen- bzw. Körperschaftssteuer bereinigt werden.
Am Ende des Jahres wird dann die tatsächliche Wertentwicklung Deines Fonds mit dieser Vorabpauschale verglichen:
Hast Du mehr Wertzuwachs erzielt, (Ausschüttungen hier zunächst außen vor gelassen) bildet trotzdem nur die Vorabpauschale den steuerlich relevanten Ertrag, von dem Du Abgeltungssteuer bezahlst. Liegt Dein anrechenbarer Wertzuwachs dagegen unter der Vorabpauschale, so zahlst Du auch nur auf ihn die fällige Abgeltungssteuer.

Damit Du ein Gefühl für die Größenordnung deiner Steuerbelastung außerhalb des Freistellungsbetrages bekommst:
In 2017 (wenn wir diese Methode da schon gehabt hätten) hätte sich die Vorabpauschale inkl. der Kostenberücksichtigungen auf 0,539% Deines Fondsvermögens am Jahresanfang belaufen, sprich, pro 10.000,- € Wert am 01.01.2017 reden wir von höchstens 53,90 €, von denen Du Abgeltungssteuer bezahlen musst.
Am Ende des Jahres wird dann geschaut, wie das Jahr tatsächlich gelaufen ist:
Sagen wir, Du hast einen thesaurierenden ETF, der am Jahresanfang 20.000,- Euro Wert ist und am Jahresende 21.800,- .
Da Dein tatsächlicher Wertzuwachs ja deutlich höher als 107,80 € ist (2 x 53,90€), wird hier gedeckelt und Du brauchst nur Abgeltungssteuer auf diesen Deckelungsbetrag zu bezahlen, also 28,44 € Steuern (evtl. noch plus Kirchensteuer). Das ist zwar nicht schön, aber doch nicht die Welt, die Deinen Fonds deshalb unattraktiv macht.
Hast Du einen ausschüttenden Fonds, so ist die gesamte Steuerbelastung in diesem Jahr unter Umständen etwas höher, denn durch die Ausschüttung entnimmst Du dem Fonds ja Geld, welches dem nächsten Jahresanfangsbestand nicht mehr zur Berechnung der Vorabpauschale zur Verfügung steht. Faustregel ist hier: Wenn die Summe der Ausschüttungen höher als die Vorabpauschale ist, ist die Vorabpauschale erledigt und es greift die ganz normale Abgeltungssteuer auf 70% der geflossenen Auschüttungen.
Unterm Strich und auf die ganze Haltezeit Deines ETFs betrachtet, hast Du aber bei beiden Fondsarten (ausschüttend oder thesaurierend) die gleiche Steuerbelastung auf den erzielten Ertrag, nur die Zahlungszeitpunkte der Steuern sind verschieden.

Fazit für Steuermuffel:

  • Hast Du bisher noch kein oder ein kleineres Depot, so musst Du Dir vorerst sowieso keine Gedanken machen, denn dein Freistellungsauftrag schützt Dich vor Abgaben jeglicher Art.
  • Die Steuern auf die Werterhöhungen zahlst Du im jeweiligen Jahr. Dabei wird berücksichtigt, dass der Fonds selbst schon Quellen- bzw. Körperschaftssteuer bezahlt hat und Dir auch Kosten innerhalb des Fonds entstehen.
  • Es ist egal, ob Du synthetische oder replizierende ETFs kaufst.
  • Es ist egal, ob Du aus- oder inländische Fonds kaufst.
  • Es ist nicht ganz egal, aber auch nicht kriegsentscheidend, ob Du thesaurierende oder ausschüttende ETFs kaufst:
    Außerhalb des Freistellungsauftrags zahlst Du zwar mehr Steuer auf Deine Ausschüttungsbeträge, hast dafür aber eine niedrigere Vorabpauschale während der Haltejahre und weniger Abgeltung beim Schlußverkauf. Bei thesaurierenden hast Du einen Zinseszinseffekt, erhöhst aber die Vorabspauschale während der Haltezeit und die Abgeltungssteuer am Schluß.
  • Die Bank führt alle Steuern ab und führt alle notwendigen Berechnungen durch. Falls Du doch mal nachrechnen willst, fordere Dir ganz unten das Schema F* zum einfachen Überprüfen an.
  • Wenn Du nicht unter 25% privatem Steuersatz liegst, brauchst Du in Deiner Steuererklärung nicht an Dein Depot zu denken (Stichwort Günstigerprüfung). Selbstverständlich hebst du trotzdem alle Kauf-, Steuer- und Verkaufsabrechnungen auf, weil…. man das eben so macht.

 

Du bist stark interessierter Neu- oder Bestandsanleger und willst es ganz genau wissen

(Vorab eine Anmerkung für die „alten Hasen“, also diejenigen, die sich schon immer intensiv mit Steuern und inneren Zusammenhängen befasst haben: Bitte tu´ Dir den Gefallen und vergiss alles, was Du bisher über Fonds und deren Besteuerung gewusst hast. Es ist ungleich schwieriger, sich mit dem neuen System anzufreunden und es zu verstehen, wenn Du gleichzeitig versuchst, es mit dem alten System zu vergleichen und einen „besser“ oder „schlechter“-Stempel draufzudrücken. Selbstverständlich verursacht die Tatsache, dass bisherige Ungleichbehandlungen jetzt gleich gestellt werden, Reibungsverluste. Und selbstverständlich bedeutet die jährliche Steuerbetrachtung, dass Du weniger Zinseszinsrenditen erwirtschaften kannst – aber es hilft nicht, sich darüber zu ärgern, während Du dir eine neue Systematik erarbeiten willst. Es ist nicht besser oder schlechter – es ist nur anders.)

Ziel der Berechnung ist es ja, die Steuerbetrachtung von Aktienfonds zu legalisieren und dafür zu sorgen, dass jedes Jahr die Steuern an den Fiskus abgeführt werden, die aus Werterhöhungen  – wenn auch nur auf dem Papier (erst wenn Du verkaufst, hast Du die Werterhöhung auch realisiert) – entstanden sind. Da man nicht das Risiko eingehen wollte, dieses Steueraufkommen von der Ehrlichkeit der Anleger abhängig zu machen und in deren private Steuererklärung auszulagern, hat man beschlossen, dass die Banken die Steuern berechnen und auch abführen sollen.
Da es über eine Massenabrechnungsmethode nicht individuell (wie in der privaten Steuererkärung) zugehen kann, aber trotzdem steuermindernde Effekte berücksichtigt werden müssen, hat man das Prinzip der Abgeltungssteuer aufgebohrt und um einige Pauschalismen erweitert.
Grundsätzlich hat also jede natürliche Person in Deutschland eine Freigrenze von 801,- €, bis zu der sie steuerfrei Dividenden, Zinsen, Werterhöhungen und Verkaufserlöse aus ihren Geldanlagen für sich verbuchen darf, ohne dass es das Finanzamt interessiert. Voraussetzung dieser steuerfreien Vereinnahmung ist natürlich, dass Du Deiner Bank – die hier übrigens als unbezahlter langer Arm des Finanzamtes fungieren muss – mitteilst, dass Du Deine 1000,- € / 2000,- € zusammen mit Deinem Ehepartner bei ihr zu erwirtschaften gedenkst, ihr also einen Freistellungsauftrag erteilst.
Die Bank prüft übrigens nicht, ob Du woanders auch noch Freistellung erteilt hast, für sie ist das sowas wie eine Haftungserklärung: Hast Du Freistellung, zahlst Du keine Steuern. (P.S.: Bitte jetzt nicht auf dumme Ideen kommen: Das Bundeszentralamt für Steuern bekommt alle tatsächlich in Anspruch genommene Freistellungssummen jährlich gemeldet – und diese Herrschaften können sehr gut rechnen!)
Im folgenden gehen wir nun davon aus, dass du Deinen Freistellungsauftrag bereits ausgeschöpft hast, wenn nicht schon jetzt, dann aber bald – siehe oben: Umso mehr Steuern, umso mehr Gewinn.  Auf den steuerlich relevanten Betrag werden dann also Abgeltungssteuern (die sind nicht neu) von 26,375% + KiSt. fällig.

Ich habe es ganz oben schon einmal erwähnt: Diese Besteuerung bringt eine komplett neue Wortwelt mit sich. Das schöne daran ist: Du kennst die alte Wortwelt nicht (oder hast sie vergessen – siehe oben), dann brauchst Du dich auch nicht umzugewöhnen.
Ausgangs- und Vergleichswert aller Berechnungen ist der sogenannte Basisertrag, den die Bundesbank an jedem Jahresanfang neu festlegt, indem sie den Basiszins herausgibt, der sich an dem aktuellen langfristigen Renditezins für öffentliche Anleihen orientiert. Warum das so und nicht anders nicht, kann ich Dir leider nicht sagen – in meiner Welt hätte man auch die Umlaufrendite oder den Euribor nehmen können, um ein sich jährliches änderndes Marktniveau einzupreisen.
Seis drum, wir haben also einen Basiszinssatz, der nun noch um 30% reduziert wird, weil Du ja schließlich im Fonds auch Kosten (TER) zu tragen hast, die – wie Werbungskosten – anzurechnen sind. Dein Basisertrag bezeichnet also, welcher Ertrag aus Deinem am Jahresanfang bestehenden Fondsvermögen für dieses Jahr erwartet wird:

(Fondsstand am Jahresanfang x um 30% reduzierter Basiszins) : 100 = Basisertrag in Euro

Der Basiszinssatz 2023 liegt bei 2,55%. Der aktuelle reduzierte Basiszinssatz liegt also bei 2,55% – (2,55% x 30%) = 1,785%.
Vom Basisertrag kommen wir jetzt zur Vorabpauschale, der summenmäßigen Obergrenze, mit der Deine Wertzuwächse in dem aktuellen Jahr gedeckelt werden.
Da jetzt alle Aktienfonds entweder Quellensteuer oder Körperschaftssteuer bezahlen, ist ja schon ein Teil Steuer bezahlt – also pauschalisieren wir jetzt noch einen Schritt weiter und hoffen, dass der Anleger mittels einer weiteren Teilfreistellung von 30% pi mal Daumen gerecht behandelt wird: Wir reduzieren den Basisertrag um weitere 30% und haben voilá: Die Vorabpauschale!
In unserem Beispiel sind wir dann bei

1,785 reduzierter Basisizins – (1,785 x 30% Teilfreistellung) = 1,2495 % x Dein Fondsvermögen am Jahresanfang : 100 = Vorabpauschale

Um uns allen mindestens einen Rechenschritt zu ersparen und nicht für jeden Fonds einzeln rechnen zu müssen, schlage ich vor, diese ganzen Zwischenschritte und 30%-Regelungen in einer Zahl zusammenzufassen, nämlich dem
Gesamtpauschalfaktor = (70% des Basiszinses – (30% des reduzierten Basiszins) = bei Basiszins 2,55 ergibt sich 1,2495 %.

Deutlich schneller und auf jeden Aktien-ETF anwendbar hast Du dann die Vorabpauschale immer berechnet mit:

(Fondsvermögen am Jahresanfang x Gesamtpauschalfaktor) : 100 = Vorabpauschale

Jetzt darf das Jahr ins Land gehen und Dein Fonds tut, was Fonds eben so tun: Steigen, Fallen, Stagnieren und – bei entsprechender Fondswahl: Ausschütten.
Ausschüttungen musst Du als einziges gesondert betrachten, denn hier haben wir ja den Fall, dass Geld aus dem ETF abfließt – sprich, es steht der Jahresrückbetrachtung nicht mehr zur Verfügung und es fließt im nächsten Jahr auch nicht mehr in die neue Vorabpauschale mit ein. Weil aber die angenommenen Kosten des Investments ja schon in der Vorabpauschale berücksichtigt sind und sie am Ende des Jahres mit dem tatsächlichen Kostenanteil verglichen werden, dürfen sie nicht weiter in den Ausschüttungen berücksichtigt werden. Die Teilfreistellung dagegen muss berechnet werden, denn wenn sie beim tatsächlichen Geldabfluss nicht berücksichtigt würde, würde sich für den ausgeschütteten Teil die Vorabpauschale gegen die Jahresendbetrachtung aufheben, das geht natürlich nicht.
Also: Nur 70% der Ausschüttungen unterliegt der Abgeltungssteuer, die Du ganz normal mit 26,375% + KiSt. bezahlst.

Der Vergleich: Jahresvorbetrachtung – Jahresrückbetrachtung

Da Aktienfonds den Finanzbehörden wohl in den seltensten Fällen den Gefallen tun werden, sich genau so zu entwickeln, wie in der Vorabpauschale angenommen, muss am Ende des Jahres geschaut werden: Wie hat sich der Fonds tatsächlich entwickelt und welche Steuerlast ergibt sich tatsächlich daraus?
Das ist sehr einfach, denn Du brauchst nur Deinen Jahresanfangsbestand von Deinem Jahresendbestand abzuziehen. Nur wenn Du wirklich einen Wertzuwachs hattest, brauchst Du jetzt weiterzurechnen, denn bei Verlusten schlägt die Tatsache die Vorabpauschale und Deine Steuerlast ist Null. Bedenke: Das betrifft nicht die Steuern, die Du bereits auf die unterjährigen Ausschüttungen bezahlt hast, denn die sind raus aus dem Spiel.
Also, lasst uns die Tatsachen mit den Vorab-Annahmen vergleichen und freu Dich darüber, dass hier immer der für Dich günstigere Vergleich zum tragen kommt:

Ist der (Wertzuwachs x Gesamtpauschalfaktor) – Komplettausschüttung > Vorabpauschale  -> zahlst Du 26,375% + KiSt. auf die Differenz zwischen Vorabpauschale – Komplettausschüttungen.
Ist der (Wertzuwachs x Gesamtpauschalfaktor) – Komplettausschüttung < Vorabpauschale  -> zahlst Du 26,375% + KiSt. auf die Differenz zwischen 70% des tatsächlichen Zuwachses abzüglich der eventuell angefallenen Komplettausschüttungen.

Nach diesem Schema F* (das PDF dazu kannst Du Dir unten bestellen) sollte Dir die Berechnung Deiner tatsächlichen Steuerlast hoffentlich kein Problem bereiten. 🙂

Übrigens: Für Mischfonds mit 25% -50% Aktienanteil berechnet sich der Gesamtpauschalfaktor mit 70% Basiszins – (15% des reduzierten Basiszinses) und für Immobilienfonds gelten je nach ihrer Ausrichtung 60% oder 80% Teilfreistellung, sonst bleibt sich die Berechnung aber gleich.
Für Sparpläne bleibt die Berechnung gleich, allerdings musst Du 11 mal die Vorabpauschale für den monatlichen Sparbeitrag auf jeweils die verbleibende Monatsanzahl neu rechnen. Da bekomme ich einen Knoten ins Hirn, das soll bitte ein Compterprogramm machen.

Fazit, Fragen und Kritik:

  • Die Berechnung ist zum an den Kopf fassen, aber die neue Systematik ist zumindest in Teilen steuergerechter als vorher.
  • Unterm Strich bezahlen thesaurierende und ausschüttende ETFs über die gesamte Haltzeit betrachtet bezogen auf den Gesamtertrag den gleichen Steuersatz.
  • Ein schlechtes Jahr wird erst im darauffolgenden Jahr durch die dann niedrigere Vorabpauschale gewürdigt. Es können keine buchhalterischen „Steuerguthaben“ aufgebaut werden. Die tatsächlich gezahlten Haltesteuern dagegen werden beim endgültigen Verkauf in die Schlußabrechnung mit einbezogen.
  • Der Zinseszinseffekt bei thesaurierenden ETFs verringert sich um die jetzt jährlich gezahlten Steuern.
  • Es ist noch nicht klar, ob die Freigrenze von 100.000 € beim Altbestandsschutz sich auf den Bruttoertrag oder auf die steuerlich relevanten Erträge nach neuer Rechenart bezieht.
  • Ich habe gelesen, dass fondsbasierte Rentenversicherungen nicht von der Regelung betroffen sind. Das mag für die Besteuerung auf Anlegerebene gelten, für die Körperschaftssteuer auf Fondsebene kann ich mir das aber nicht vorstellen. Indirekt hat es also sehr wohl Auswirkungen.

So, Du hast es geschafft. Wenn Du mit meinen Erklärungen nicht zurechtgekommen bist, andere Ansätze brauchst (nicht jeder lernt gleich!) oder Blut geleckt hast und noch tiefer ins Thema einsteigen willst, empfehle ich Dir folgende sehr gute Artikel (für die ich mich an dieser Stelle selbst auch bedanken will – ohne Euch hätte ich noch länger gebraucht, um durchzusteigen!):

*Um Dir die Berechnung deiner Steuerlast für die Zukunft ganz leicht zu machen, habe ich das Schema: F (wie Fondsbesteuerung) erstellt, in dass Du nur den aktuellen Basiszinssatz eintragen musst und womit Du dann Deine eigene Steuerlast individuell ausrechnen kannst.
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