Heute morgen hatte ich mal wieder ein Bankgespräch. Ich liebe ja solche Gelegenheiten, bei denen ich mich nochmal am eigenen Leib davon überzeugen kann, warum ich kein Banker mehr bin. Ich wurde mal wieder nicht enttäuscht!

Diesmal war ich nicht in eigener Sache unterwegs, sondern mit meinem Vater: Er wurde angerufen, dass an seinen Konten etwas umgestellt werden müsse, weil blablabla…

Es lebe die Bürokratie

Einer meiner größten Aufreger zu Bankzeiten war ja schon immer die überbordende Bürokratie, in der jede Beratung zu ersticken droht und die jeden noch so trivialen Sachverhalt in einer Papierschlacht münden lässt. So auch heute.
Die Sparkasse meines Vaters fühlte sich von der  DSGVO genötigt, sich Unterschriften zum Datenschutz einzuholen, lustigerweise ist in den 3 beidseitig klein bedruckten DIN-A4 Blättern gerade nebenbei nochmal die Vereinbarung zur Kontaktaufnahme im Angebotsfalle – selbstverständlich auch für die kooperierenden 18 (!) Verbundpartner – geregelt.

Selbstverständlich geht es nicht darum, uns anrufen zu dürfen, wenn ein unschlagbares Angebot darauf wartet, von uns in Anspruch genommen zu werden, sondern nur um: „Dürfen wir sie anrufen, wenn mit Ihrem Konto was ist?“. (HALLO!? Sie müssen mich sogar anrufen, wenn mit meinem Konto was ist!).

Ich nicke nur freundlich und unterschreibe, denn ich bin immer gespannt darauf, mit Vertriebsmenschen aus der Finanzindustrie zu telefonieren, ich lerne dabei nämlich immer was. 😉 (Nein, ich bin nicht gemein. Ich meine das ernst. Irgendwo muss der Stoff für meine Blogartikel ja schließlich herkommen.)
Auch mein Vater unterschreibt begeistert, er ist ein Meister darin, Werbetelefonate zu einem mentalen Desaster für den Anrufer werden zu lassen.

Trotzdem beginnt er, unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen – wir sitzen schon seit fast 20 Minuten hier und wissen noch nicht recht, warum…

Kommen wir zum Wesentlichen

Aber nun, jetzt geht es los:
Sie lassen die alten Kontomodelle auslaufen und machen mit allen Girokonten neue Preisvereinbarungen.
So, wie mein Vater mit seinem Konto umgehen möchte (er möchte seine Kontouszüge schwarz auf weiß. Am Kontoauszugsdrucker. Und nein, er möchte das Konto nicht ausschließlich online führen.) wäre das das neue Premium-Modell, Kostenpunkt 15,90€ im Monat.

Ich schlucke ein wenig, mein Vater zuckt kurz – aber naja. Wir haben schon oft darüber diskutiert, dass Banken es sich zunehmend teurer bezahlen lassen, wenn man ihnen tatsächlich Arbeit macht und sogar noch regionale Ansprechpartner will.
Ich merke, wie der Blutdruck meines Vaters ganz zart zu steigen beginnt und er stellt seine liebste (und sehr berechtigte) Grundsatzfrage: „Sagen Sie mal, finden Sie es eigentlich richtig, dass gerade ältere Menschen, die mit dem Onlinekram nicht so gut umgehen können und starke Bedenken wegen der Sicherheit haben, auch noch dafür bestraft werden?“

Wir brauchen weitere 15 Minuten mit weiteren 3 Seiten Papier. (Ihr müsst das übrigens alles verdoppeln. Ich spreche hier immer nur von den Seiten, die ich als Kopie in die Hand gedrückt bekomme.)

Smalltalk unter Bankern

Während der Drucker also vor sich hindruckt und der durchaus sympathische ältere Banker vor sich hinplappert, wie recht mein Vater hat und wie schlimm diese Digitalisierung gerade im Zusammenhang mit der Niedrigzinsphase für die Banken doch ist, kann ich dann doch meine Klappe nicht halten: „Naja, wir haben 10 Jahre lang mit aller Gewalt die Menschen aus den Filialen herausgetrieben. Dann haben wir 10 Jahre gebraucht um festzustellen, dass mit Leuten, die nicht mehr in die Filialen kommen, ganz schlecht Geschäft zu machen ist. Und seit 10 Jahren kämpfen wir verzweifelt darum, der innovativen digitalen Entwicklung anderer hinterherzuhechten, während wir gleichzeitig den Spagat zwischen nicht mehr vorhandenen Service, mangelhafter Beratung und riesigen Ertragsdruck versuchen. Das kann nicht gut gehen, wir schaffen uns gerade ab. Zu recht.“

Mist.
Wir?! Wie kann ich bloß noch „wir“ sagen? Ich bin seit fast 10 Jahren draußen – und falle, sobald ich Bankenluft wittere, in alte Angewohnheiten zurück?! Wie blöd. Ich ärgere mich und hoffe, der Banker hat das „wir“ über dem emsigen Computertippen überhört.

Hat er natürlich nicht.
„Oh, Sie sind vom Fach! Ja aber, dann wissen Sie ja, dass immer mehr Filialen geschlossen und immer mehr Banker entlassen werden?! Das ist doch furchtbar!“
Er ist nicht recht begeistert von meiner Ausführung, dass ich die ganze (Bank)-Beraterzunft am Aussterben sehe und dass ich es für vollkommen angebracht halte, dass sich neue Berufsbilder in der Finanzbranche entwickeln.

„Aber dann werden solche Menschen wie Ihr Vater, der unseren Service ja braucht, überhaupt keine Bank mehr haben, zu der sie gehen können!“
Es macht ihn nicht glücklich, dass ich ihm vorschlage, er möge doch mal ein Senioren-Konzept ausarbeiten, ich hätte gehört, dass eine Konkurrenzbank gerade dabei ist, so etwas in trockene Tücher zu packen. (Leider ist das gelogen. Ich kann nicht verstehen, warum sich gerade die kleinen Regionalbanken nicht wenigstens dort positionieren, wo sie noch gute offline-Nischen fair bepreist bedienen könnten.)

„Aber dann wird sich ja die ganze Bankenlandschaft ändern und am Ende bleiben nur noch ein paar wenige übrig!“
Ja, da hat er wohl recht. Aber mehr als diese Wenigen werden wir dann auch nicht mehr brauchen. Service gibt’s woanders besser und billiger. Beratung sowieso. Zahlungsverkehr übernehmen Paypal, Wirecard, Google und Amazon, als Kopf genügt eine Weltbank.
Und Bargeld gibt’s dann eh nicht mehr.

Hier sind wir uns dann wieder einig: Das gefällt ihm genausowenig wie mir.
Er sieht die Schuld dafür allerdings wieder bei der Digitalisierung (sein Lieblingsfeindbild, wie ich merke) – ich konstatiere, dass auch hier die Banken die Abschaffung des Bargeldes munter vorantreiben. Geldautomaten sind teuer, Kassierer sind teuer, Sicherheitsvorkehrungen sind teuer, Bargeldtransporte sind teuer – kurzum: Alles, was mit der Bargeldversorgung der Bevölkerung zu tun hat, ist teuer. Also ist es angesichts des momentanen Kostendrucks doch wirklich sinnvoll, zu ignorieren, dass man auf der falschen Seite des Astes sitzt, den man gerade im Begriff ist, abzuschneiden. Lasst uns lieber weiter teure Geldautomaten abschaffen und Gebühren für Abhebungen unter 50,- – ach was, 100,- müssen es demnächst schon sein! – verlangen!

Hier ist mein Vater wieder ganz bei uns und beschwert sich (wieder zu recht), dass es heute ja fast eine Unmöglichkeit sei, mehr als 1.000,- Euro des eigenen Geldes auf einmal in die Hände zu bekommen. Ich kann sehr gut verstehen, wie sehr sich eine Generation, die schon erlebt hat, wie es ist, schnell weg zu müssen, darüber grämen muss, nicht auf sofortigen Abruf an das eigene Geld zu kommen. Ich habe deutlich mehr Vertrauen in die Stabilität und Sicherheit unseres Landes, aber auch mir gefällt es nicht, zwei oder drei Tage warten zu müssen, wenn ich mal 20.000,- Euro abheben wollte (mache ich eh nicht. Aber ich will es können, wenn ich es wollen würde.)
Mein Banker schaut bedröppelt.

Ich wähne uns am Ende des Termins, aber unser Berater ist noch nicht fertig. Er will uns noch etwas geben.

Kommen wir zum wirklich Wesentlichen

Er legt meinem Vater mal wieder ein Formular zum Unterschreiben vor und drückt mir gleichzeitig einen Stapel Papier und eine Broschüre in die Hand. Ich falle aus allen Wolken, als ich lese „Versicherungsbestätigung für Handy/Laptop Plus“.
WTF?!

Unser Banker zieht den Kopf ein und beeilt sich, uns zu versichern, dass diese Versicherung ein Bestandteil des neuen Kontomodells wäre und ein absoluter Mehrwert, auf den wir auch verzichten könnten, aber er muss sich den Empfang der Unterlagen doch bestätigen lassen und da steckt nichts dahinter und es ist alles ganz unschuldig….
Ich kann mir nicht helfen, ich breche in lautes Gelächter aus. Verdammt nochmal, sie haben wirklich nichts – aber auch garnichts! – gelernt, die Banken!

Wie tief muss man sinken, um eine Provisionsvereinbarung mit einem Versicherer auszuhecken (ich habe noch nicht herausgefunden wer genau das ist, werde aber noch berichten) damit man die eigenen Kontomodelle so umstricken kann, dass es a) de facto nur eine moderate Preiserhöhung und b) einen automatischen (und verprovisionierten) Versicherungsabschluss generiert? Selbst wenn diese Versicherung nur ein paar Cent kostet und aus den Mehrgewinnen der neuen Kontoführungsgebühren bezahlt wird, selbst wenn es wirklich ein Mehrwert sein sollte (ich hege meine Zweifel): Unterm Strich bleibt, dass der Kunde seine Daten preisgibt, automatisch auch Kunde bei einem neuen Anbieter wird – und dass er etwas verkauft bekommen hat, was er überhaupt nicht wollte. Er hat etwas unterschrieben, was ihm nicht bewusst war. Selbst wenn er es nicht benutzt, selbst wenn es nicht schadet – es ist Augenwischerei. Es ist Verschleierungstaktik. Es ist verwirrend, intransparent und respektlos.

Ich grinse immer noch, als wir die Bank verlassen.
Es ist aber ein bisschen schief, mein Grinsen: Mir wäre lieber gewesen, sie hätten uns nur wegen blöder Bürokratie und einer einfachen Gebührenerhöhung die Zeit gestohlen.

Ich glaube, ich werde so schnell nicht mehr „wir“ sagen.