Manchmal fragen mich Menschen einfache Dinge.
„Sagen Sie mal, das wissen Sie doch gerade: Welche Bank ist denn die Beste?“
Ja. Weiß ich gerade. Sag` ich aber nicht.
Ich weiß nämlich nur, welche Bank ich für mich am besten finde. Gäbe ich ihm also zwischen Tür und Angel „meine“ Antwort, so kann ich nur verlieren.

Entweder ist derjenige mit der angegebenen Bank zufrieden – dann klopft er sich innerlich auf die Schulter und freut sich darüber. Hat er gut gemacht. (Meint Ihr, er kommt auf die Idee, mir dafür eine Empfehlung auszusprechen? Oder ein nettes Testimonial zu schreiben?)

Du kannst nur verlieren

Oder aber, es gefällt ihm dort nicht.
Aus irgendwelchen Gründen:
Zum Beispiel weil er einen Genossenschaftsanteil zeichnen musste. Oder weil er mit dem Online-Banking dort nicht zurecht kommt, die Kundenberater nicht höflich genug sind oder die Überziehungszinssätze dort höher sind, als er es gewohnt war. Dann bin ich daran schuld.
Und was tut jeder Mensch, der von einer Firma eine schlechte Leistung erhalten hat? Er erzählt es weiter!

Entdecke die MöglichkeitenHätte ich natürlich gewusst, dass dieser Mensch gesteigerten Wert auf komfortables Online-banking legt, so hätte ich ihn woanders hin geschickt.
Dazu hätte es aber ein Gespräch erfordert.
Kein langes Gespräch, keine stundenlange Beratung, aber ein Gespräch.

Denn nur unter Berücksichtigung aller notwendigen Informationen kann ich eine Situation richtig beurteilen und eine echte, passende Empfehlung abgeben. Also brauche ich auch zur Beantwortung dieser „einfachen“ Frage Zeit. Nur dann kann ich eine Leistung bringen (ihm also „seine“ Bank nennen), die ihn glücklich macht.
Meine Zeit und mein Wissen ist kostenpflichtig. Das ist meine Leistung und nur unter diesen Voraussetzungen bin ich bereit, auch Schelte einzustecken, wenn es wider Erwarten doch nicht passt.

Dieses Dilemma zwischen Tür und Angel kennt wohl jeder selbständige Spezialist.
Es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich verstanden habe, wie dieses Selbständigsein-Spiel funktioniert, denn angestellte Spezialisten haben dieses Problem nicht.
Eine Auskunft von jemandem, dessen Brötchenerwerb von einem Chef bezahlt wird, wird auch automatisch als das genommen, was es (eigentlich) ist: Ein unverbindlicher Freundschaftsdienst, eine Kulanzantwort.

Es kommt darauf an. Immer!

Ein anderes Beispiel ist der Zwischendurch-Anruf eines Freundes, der sich gerade ein neues Auto kauft: „Sag mal, das kannst Du mir doch gerade schnell sagen: Ich bekomme den Kredit für 3,9%, ist das ein guter Zinssatz?“

Hmm, ist 3,9% ein guter Zinssatz? Das kommt drauf an.
Es kommt drauf an, ob der Kredit von der Bank oder vom Autohaus gewährt wird.
Es kommt darauf an, ob es eine Anfangs- oder Schlusszahlung gibt.
Es kommt drauf an, ob noch Boni oder Rabatte gewährt werden, ob diese Ratenzahlung schuld daran ist, dass eine später angedachte Hausfinanzierung nicht mehr darstellbar ist, oder ob die Meldung dieses Kredits sein Scoring in der Schufa böse herabzieht.

Diese Fragen (und noch mehr) rattern in meinem Kopf, bevor der Freund seinen Satz fertig formuliert hat.
Und ich weiß, er wird meine Entgegnung auf seine Frage als komisch, verschroben, vielleicht sogar als unfreundlich empfinden, denn ich werde sagen: „Ja, lass uns doch einen Termin machen, dann sage ich Dir das gerne!“
Wie bitte???
Ich möchte bezahlt werden für eine Auskunft, die ich einfach so in einer halben Minute aus dem Ärmel schütteln könnte?

[bctt tweet=“Wertvolle Infos gibt es nicht kostenlos. Kompetenz passt nicht zwischen Tür und Angel.“ username=“geldwert_anette“]

Ja, denn ich kann sie nicht aus dem Ärmel schütteln. Denn, absolut betrachtet, ist 3,9% kein schlechter Zinssatz.
Aber…das aber will er nicht hören. Er ruft ja nur kurz zwischendurch an.

Kann er sich aber im nächsten Jahr das Traumhaus nicht kaufen, weil ihm diese Rate die Haushaltrechnung zerschiesst  – so könnte er jedem, der es hören will (und auch jedem der es nicht hören will) zu Recht sagen, dass Frau Weiß ihn schlecht beraten hat.
Denn sie hat ja damals gesagt, es ist ok.

Hätte ich natürlich gewusst, dass er sich mit dem Gedanken an einen Hauskauf trägt, so hätte ich ihn gewarnt. Wenn ich Gelegenheit gehabt hätte, seine Gesamtsituation zu beurteilen, so hätte ich vielleicht auch gesagt, dass ein solcher Kredit seine Schula zu sehr belastet. Und ich hätte einen anderen Weg gefunden.
Vielleicht nicht für 3,9%. Aber viel besser – für ihn.

Deshalb ist eine „einfache“ Frage niemals eine einfache Frage.

Und deshalb gibt es für ein „gerade mal eben“ keine Ein-Satz-Antwort. Und auch ein „weißt Du doch sowieso“ ist keine kostenfreie Dienstleistung.

Kompetenz passt nicht zwischen Tür und Angel.