In den letzten Jahren bekleckern sich die Banken nicht gerade mit Ruhm – und auch in Unternehmerkreisen haben zu viele Skandale und zu starke Gewinnorientierung bei gleichzeitig extrem strenger Investitionskreditvergabe ihre Spuren hinterlassen. Also sucht und schafft sich die Wirtschaft Alternativen, zum Beispiel das sogenannte Crowdfunding.
Da dieses Crowdfunding andererseits sein Gegengeschäft ja mit dem Verbraucher macht, habe ich für Euch mal eine echte Expertin auf dem Gebiet der KMU-Finanzierung, Ilona Orthwein, befragt:

 

Liebe Ilona, was ist Crowdfunding denn überhaupt?

Ilona: „Crowdfunding ist der Oberbegriff für verschiedene Formen der Finanzierung, bei der jeweils die Individuen in der „Crowd“, das ist die „Masse“ der Internetuser, mit überschaubaren Geldbeträgen Projekte und Unternehmungen finanzieren, also „funden“.

Man unterscheidet dabei grundsätzlich vier Hauptformen:

  1. Crowddonating: Geldspenden erfolgen rein altruistisch, ohne Gegenleistungen.
  2. Crowdsponsoring bzw. „reward based Crowdfunding“:
    der Geldgeber ideelle oder materielle Gegenleistungen gestaffelt nach Höhe seiner Geldspende.
  3. Crowdlending, auch Microlending, Social Lending oder Peer-to-Peer-(P2P-Lending) genannt:
    Menschen geben einander aus Kleinbeträgen zusammengesetzte (Mikro-)Darlehen, welche verzinst und innerhalb von max. 5 Jahren zurückgezahlt werden.
  4. Crowdinvesting oder „Equity Crowdfunding:
    Mikroinvestoren werden entweder echte Teilhaber in einem Unternehmen z. B. durch Anteilserwerb an einer GmbH oder UG oder Aktienerwerb bei einer AG (= Equity based Crowdinvesting) oder sie stocken dessen Eigenkapitalausstattung über mezzanine Finanzierungsformen auf, wie durch den Erwerb von Genussrechten oder die Erbringung von gewinnabhängigen, sog. „partiarischen Nachrangdarlehen“ (=Lending based Crowdinvesting).

Das Prinzip ist bei allen Formen jedoch vom Grundsatz her dasselbe:
Viele kleine Beträge sollen die benötigten Kapitalsummen ergeben und das Ganze läuft über das Web 2.0 ab. Hier lancieren die Kapitalsuchenden Ihren Aufruf – entweder über eine entsprechende Finanzierungsplattform oder selbst organisiert – und informieren die Crowd über die Projektfortschritte. Auch die Zahlungströme werden online abgewickelt.
Grundprinzip ist zudem „Alles oder Nichts“, d. h. wenn nicht genug Geld zusammenkommt, um das angestrebte Vorhaben zu realisieren, geht das Geld zurück an die Geldgeber.“

 

Und warum wird Crowdfunding überhaupt gemacht – es gibt doch schließlich Banken?

Ilona: „Crowdfunding hat sich in der Tat zunächst dort etabliert, wo Banken als Geldgeber nicht in Frage kamen.
Es begann mit dem klassischen Fundraising für gemeinnützige Projekte via Internet, wurde dann von Künstlern, insbesondere Musikern und Filmemachern als Idee aufgegriffen, um Arbeiten zu finanzieren und gelangte so schließlich nach und nach in die unternehmerische Szene.

Das Crowdlending nahm einen etwas anderen Weg.
Die Anfänge liegen bei Plattformen wie Kiva.org, die nach den Prinzipien von Muhammad Yunus, Mikrokredite an Kleingewerbetreibende aus Entwicklungs- und Schwellenländern vergibt. Diese Idee wurde in den USA und Großbritannien dann auch für „ganz normale Bürger“ und den kleinen gewerblichen Mittelstand aufgegriffen.

Hintergrund war hier das allgemein Bankensterben seit den 1980ern und eine restriktive Kreditvergabepraxis wegen Basel II (und inzwischen Basel III). Heute findet Crowdlending auch bei uns zunehmend Anhänger. Marktführer in Deutschland ist Auxmoney. Neu seit diesem Jahr auf dem Markt sind Zencap und Lendico aus dem Hause Samwer (Rocket Internet, Zalando…)

Diese Plattformen haben den Vorteil, dass Kreditanträge unkompliziert gestellt werden können.
Die Anleger bekommen wesentlich höhere Zinsen als auf dem „normalen“ Sparbuch oder Tagesgeld bzw. Festgeldkonto, aber tragen das Risiko des Totalverlusts der Einlage. Das gilt umso mehr für Crowdinvestings, bei dem die Gelder langfristig gebunden bleiben.“

 

Ist Crowdfunding denn dann für den Endkunden eine Alternative zur klassischen Geldanlage – und wie ist das mit der Sicherheit für den Verbraucher?

Ilona: „Zur Verlockung der höheren Rendite auf die Einlage gesellen sich üblicher Weise ideelle Aspekte: man möchte ein bestimmtes Projektanliegen gezielt fördern und wissen, wohin das eigene Geld geht.

Ein echte alternative zu klassischen Anlageformen ist das aber nicht.
Die angelegten Einzelbeträge sind im Schnitt auch recht gering – im Crowdinvesting liegen sie bei ca. 3.000 € pro Anlage und Anleger. Wer klug ist, splittet selbstverständlich auch hier sein Risiko entsprechend und setzt nicht alles auf eine Karte.
Grundsätzlich sollte im Crowdlending und Crowdinvesting nur Geld angelegt werden, dessen (Total-)Verlust man auch verschmerzen kann.

Sicher sind diese Anlagen nicht wirklich, aber man kann damit doch Gutes bewirken und Projekte auf den Weg bringen, die anderweitig keine oder kaum eine Chance gehabt hätten – ich denke z. B. an die Firma „Cloud & Heat“ aus Dresden, deren innovatives Konzept aus Serverabwärme Warmwasser zu gewinnen, 2013 eine Million Euro Wachstumskapital aus der Crowd bekam, was das Start-up sicherlich in diesem frühen Stadium der Entwicklung anderweitig kaum hätte akquirieren können.

Der Gesetzgeber, nicht zuletzt verschreckt von der Prokon-Pleite, möchte nun Kleinanleger schützen und das Crowdinvesting entsprechend regulieren, die hier eingesetzten Beträge pro Anleger stark begrenzen und vom Vermögen der Anleger abhängig machen. Ob dieser Gesetzentwurf tatsächlich durchkommt und wie er dann umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Ich persönlich meine, man sollte die Menschen eher finanzwirtschaftlich aufklären als sie mit Hilfe von fragwürdigen Restriktionen vor sich selbst zu schützen. Um meinen Beitrag zu dieser Aufklärung zu leisten, habe ich im Sommer 2014 ein kleines Buch mit dem Titel „Crowdfunding – Grundlagen und Strategien für Kapitalsuchende und Geldgeber“ herausgebracht.“

 

Ich bedanke mich herzlich bei Ilona Orthwein (M.A.). 2014-IlonaBuch

Ilona ist ausgebildete Kauffrau und graduierte Sozialwissenschaftlerin, die ich über das Onlinenetzwerk „Unternehmerinnen.org“ kennen und schätzen gelernt habe.
Sie war über zwölf Jahre im internationalen Bankengeschäft tätig, ehe sie 2003 in Berlin die „Orthwein Unternehmens- und Organisationsberatung“ gründete, wo mittelständische Unternehmen und soziale Organisationen zu Finanzierungsfragen, Marketing und Organisationsentwicklung beraten werden. Ilona schreibt und referiert zu Themen wie Enterprise 2.0, Crowdfunding und wirtschaftsethischen Fragen.

Im Juli 2014 ist ihr Crowdfunding-Ratgeber „Crowdfunding – Grundlagen und Strategien für Kapitalsuchende und Geldgeber“ im IGEL Verlag Hamburg, ISBN: 978-3-95485-102-7, erschienen.

 

 

 

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