Ich habe dieser Tage einen interessanten Blogbeitrag bei Social Banking 2.0 gelesen. Der renommierte Witschaftsjournalist Lothar Lochmaier kommt zu dem Schluss, dass in Zukunft der beratungsintensive Vertrieb von Finanzdienstleistungen gänzlich vom Internetverkauf verdrängt werden sollte.
Er hat nicht vollkommen unrecht – aber er hat auch beileibe nicht recht.
Es ist irritierend, dass ein Blog, der zu den besten der deutschen Finanzwelt ( ist es auch! 🙂 ) zählt, Alternativen wie die Honorarberatung komplett aussen vor lässt. Gemäß dem neuen Wutbürgertum (Stuttgart 21, Occupy Wallstreet) macht man macht etwas Schlechtes aus (in diesem Fall die Provisionen der Bankmitarbeiter) und nimmt das zum Anlass, zu empfehlen, einen 180° Schwenk zu vollziehen und alles in Eigenregie zu machen.

Also Schwarz oder Weiß.

Oberirdischer Bahnhof oder Unterirdischer. Kein dazwischen oder daneben. Polarisieren um (Stammtisch)Meinungen zu erzeugen – ohne Alternativen aufzuzeigen.

Als Beispiel nimmt Herr Lochmaier ausgerechnet die Möglichkeit, eine Hypothekenfinanzierung online zu kaufen – aber gerade hier erlebe ich in der persönlichen Beratung sehr viele Möglichkeiten, für den Kunden Kosten zu sparen!

Ein geschickter Bankberater versucht ansonsten doch noch, die eine oder andere Provision rein zu schmuggeln…

Ja. Wohl wahr. Aber deswegen gibt es ja so Leute wie mich.

Dabei ist das Gespräch doch nur wirklich zielführend, wenn ich mit dem Berater zu einem (nicht nur für die Bank) besseren Endergebnis komme als ohne. Das dürfte nur in relativ wenigen Fällen der Fall sein, was sich auch durch diverse selbst erlebte Beispiele erhärten lässt.

Ich hatte auch schon schlechte Erfahrungen mit dem öPNV. Deswegen blogge ich aber nicht gegen alternative Transportmethoden und plädiere dafür, dass jeder selber einen Bus fährt, nachdem er sich im Internet schlau gemacht hat, wie das geht.

Deshalb ist man gleich besser beraten, alle Konditionen und Bedingungen online durchzugehen, den klaren Kopf zu behalten, sich mit anderen über die Chancen, Tücken und Fallstricke auszutauschen. Das einzige, was einem niemand, und schon recht nicht der Finanzberater abnimmt, ist es, die richtige Strategie für einen selbst zu definieren. Aber auch hier hilft der Gang in die virtuelle Welt, man kann anhand von Szenarien alles viel besser überlegen und durchspielen.

Die Strategie definierst immer Du! Das nimmt Dir keiner ab!

Der Finanzberater nimmt einem also nicht ab, die richtige Strategie für einen selbst zu definieren? Herr Lochmaier, seien Sie mir nicht böse, aber Sie hatten offenbar bislang nur mit richtig schlechten Finanzberatern zu tun. Eine Finanzstrategie kann und muss ausschliesslich auf die persönlichen Bedürnisse und Anforderungen zugeschnitten werden! Ein Finanzberater, der das ignoriert, hat schlicht und einfach seinen Beruf verfehlt oder er wird von seinem Arbeitgeber zu der Erfüllung zweifelhafter Vorgaben gezwungen.

Eine Finanzierung zum Beispiel mag auf den ersten Blick einfach erscheinen – sie so aufzubauen, dass sie auf den Kunden individuell passt, ist aber beileibe nicht leicht. KFW ja oder nein? Wohnriester ja und wenn, wie? Zinsausläufe absichern oder Risiken eingehen? Schnell entschulden oder aus steuerlicher Sicht strecken? Eigenkapital aus dem Rückkauf von Versicherungen aufstocken? Die Möglichkeiten sind fast beliebig erweiterbar…
Außerdem kann das Vernachlässigen von Risikofragen, die sich ein Laie im allgemeinen nicht selbst stellt, Existenzen zerstören.

Wem möchte man zumuten, sich in seiner Freizeit mit vollkommen artfremden Themen auseinanderzusetzen? Wer möchte allen Ernstes behaupten, dass jeder Mensch aus der Nachbarschaft die internetgeistige Reife besitzt, sich in dem Dschungel aus Googletreffern ausgerechnet die richtigen herauszusuchen, die es ihm ermöglichen, einen guten Finanzberater zu übertreffen? Nur damit er den in meinen Augen zweifelhaften Erfolg erzielt, seinem Bankberater keine Provision zu ermöglichen?
Natürlich sollte man sich austauschen, sich Anregungen aus der virtuellen Welt holen, selbst nachdenken und nur mit kühlem Kopf eine solche Verpflichtung eingehen – aber auch die aufwändigste Recherche ersetzt dem Nichtprofi nicht das Wissen, über das ein ausgebildeter Fachmann nun einmal verfügt.

Der „Finanzvermittler“ in seiner menschlichen Ausprägung dient dann allenfalls noch dazu, offene, ganz präzise Nachfragen zu klären, sofern er oder sie dazu überhaupt die richtigen Antworten parat hat.

Kannst Du die richigen Fragen stellen?

Ui. Davon abgesehen, dass nicht alle Schafe schwarz sind, setzt dies voraus, das man überhaupt die richtigen Fragen stellt. Um diese aber stellen zu können, muss die Strategie gut durchdacht und das Vertragswerk ordentlich durchgearbeitet sein.

Ein anderes Beispiel: es gibt schon seit sicher 30 Jahren diverse Publikationen in Papierform. Einige davon heissen „Wie helfe ich mir selbst“ oder „Der Heimwerker“. Hier bekommt der aufgeschlossene Leser anhand von Fotostrecken ganz genau erklärt, wie er die Zylinderkopfdichtung seines Wagens wechselt oder seine Gasheizung saniert. Einfache Frage: Kann das danach jeder? Oder noch eins weitergefragt: wenn ein ausgewiesener KFZ-Profi einen Internetblog zum Thema „Zylinderkopfdichtung“ herausbringt, traut ihr euch danach zu, direkt loszuschrauben?

Offen ist nun in der Branche bereits die Rede davon, den Beratungsprozess komplett ins Web zu verlagern – gleichzeitig ist man nicht müde, gebetsmühlenartig zu betonen, dass der persönliche Kontakt und Dialog zwischen Kunde und Bankberater auch künftig die wichtigste Rolle spielt.

Mein Fazit zum Umkehrschub beim Ropo-Effekt lautet deshalb: Online recherchieren, online kaufen!

Ich mache einen lukrativen Gegenvorschlag:
Online recherchieren, offline recherchieren – dann zu einem Honorarberater gehen. Honorar in eine individuelle Beratung investieren und die selbst ausgeknobelte Strategie vom Fachmann beurteilen lassen. Und dann entscheiden, ob man es so umsetzen will und selbst umsetzen kann. Beratung ersetzt niemals eigene Intelligenz – aber sie kann sie beflügeln!

 Was meinst Du?