Empfehlungsmarketing ist per se nichts Schlechtes. Wer erhält nicht gerne gute Tipps von Freunden und Bekannten? Was mich aber echt abnervt, ist die Hinterlistigkeit, mit der manche VertreterInnen dieser Spezies neue Vertriebspartner oder Kunden anlocken.

MLM ist Geschmackssache – wer will, der soll

Wer sich viel auf Facebook tummelt, erkennt sie schon auf den ersten Blick: Freundschaftsanfragen und Posts von Menschen, die „mehr essen und weniger wiegen“. Die die Welt, die Natur und die Tiere retten, weil sie Frischekosmetik oder Obstsaft in Pulverform verkaufen. Die ein werteorientiertes Business anstreben, sich dabei das berühmte „passive Einkommen“ und eine wunderbare Altersvorsorge aufbauen. Jaaaa, Leute, so einfach ist das eigentlich mit dem Geld verdienen: MultiLevel- und Empfehlungsmarketing kann jeder!

Nur, um es nochmal klar zu stellen: ich habe nichts gegen die Produkte. Ich habe auch nichts gegen die Vertriebsart. Und ich kenne Leute, die sich mit dem Business sehr ehrlich und mit viel harter Arbeit meinen Respekt verdient haben.
Amüsant finde ich dagegen eher die täglichen Mitteilungen von bis dato Fremden, dass ich mir doch dieses wunderbare Konzept mal anschauen soll, das wäre doch sicher was für mich! Ja, ich mag arrogant klingen: Sorry, in ein Profil schauen, bevor ich so eine Offerte starte, kann ja wohl wirklich jeder! Und wer dann noch glaubt, ich wäre seine Zielgruppe, dem kann ich nicht helfen.
Aber immerhin: Wer mir direkt und offen damit ankommt, ist wenigstens ehrlich und geradeaus. Ein passender Satz von mir dazu – und man kann mit guten Gedanken jeder seiner Wege gehen.

Wo der Spaß aufhört, fängt meine Zeit an

Die neuste Masche aber, die mir gehäuft über die Füsse läuft, geht mir echt auf den nichtvorhandenen Sack. Unter dem Deckmäntelchen „Wir gründen ein neues (Finanz- /Frauen- / Business- / Werte-) Netzwerk, willst du da mitarbeiten?“ wird der geneigte Leser mittels PN (Merke I: Niemals öffentlich. Immer schön einzeln, um gleich die kritische Spreu vom affinen Weizen trennen zu können!) auf eine Webseite gelockt (Merke II: Es ist meist eine schnell zusammengezimmerte Jimdo- oder andere Baukastenwebseite). Dort werden wir dann mit wunderbaren Fakten über die Schlechtigkeit der Welt in Stimmung gebracht, wie: „3 Jahre nach Geburt eines Kindes ist jede 5te Frau in Deutschland arbeitslos!“ oder „45 Jahre gearbeitet – 140 € Rente!“, gerne auch „Wie die Pharmaindustrie unsere Gesundheit zerstört“ oder „Die Reichen immer reicher werden“ – von abschmelzende Polkappen und der Perfidie des Bankensystems ganz zu schweigen.

[bctt tweet=“Netzwerk sucht Mitstreiter, die gemeinsam i. d. Welt etwas bewirken wollen. – Verkaufe Cremes!“ via=“no“]

Derart vorbereitet, bist du dann reif (JA, natürlich will ich helfen, die Welt zu retten!) für das anschließend angebotene (Merke III: gerne voraufgezeichnete) „Live-Webinar“, in dem Dir dann das neue Netzwerk, welches aktiv und hoch innovativ daran arbeiten soll, diese Missstände zu beheben, vorgestellt wird.

Falls Du bis dahin immer noch nicht misstrauisch geworden bist, erfährst Du in diesem Webinar dann nach frühestens 25 Minuten langsam, um was es wirklich geht: Einfach nur MLM. Vertrieb. Verkauf. Viel Geld für jeden – leicht verdient, weil mit tollen Produkten, die dir förmlich aus der Hand gerissen werden. Gemalt in den glühendsten Farben und mit den tollsten finanziellen Erfolgen.

Und das Netzwerk?? Hey – Du lernst ja supertolle neue Leute kennen, die alle das Gleiche wollen wie Du!!! Ihr unterstützt Euch mit tollen Verkaufstipps, helft Euch bei emotionalen Durchhängern und motiviert Euch gegenseitig, sollten die Erfolge mal nicht vom Himmel fallen. Wenn das mal kein tolles Netzwerk ist?!
Am Ende wird alles dann natürlich noch garniert mit Erfahrungsberichten erfolgreicher Ärzte/innen, Anwälte, Finanzprofis und Hausfrauen, die ein Loblied darüber singen, wie toll sich das MLM doch mit ihrem Kerngeschäft vereinbaren lässt, wie viele wunderbare neue Freunde sie gefunden haben und (natürlich!) wie unglaublich erfolgreich und glücklich und gesund sie diese Entscheidung gemacht hat.

Boah.

Ich glaube, es geht anders besser

Wer ein ehrliches Business betreibt, ehrliche Produkte verkauft und ehrliche Empfehlungen aussprechen kann, hat es nicht nötig, lange um den heißen Brei herumzureden. Wer gute Cremes, Pulver, Kosmetik oder Mode verkauft, der sollte sich nicht zu schade sein, das auch mit stolzer Brust und überzeugtem Mindset zu tun. Wer aber z. Bsp. „Bei uns steht der Mensch, die Gesundheit und die Freiheit im Mittelpunkt. Dadurch können wir gesellschaftlich viel bewirken.“ zur Philosphie für solcherlei Zwecke erhebt, hat nichts verstanden.

Wenn Ihr wirklich die Welt verbessern wollt, hört erst mal auf, die wichtigste aller menschlichen Ressourcen zu verschwenden: ihre Zeit.