Ich habe festgestellt, dass man offensichtlich BÖSE sein sollte, um im schnelllebigen Netz gerne gelesen zu werden. Jedenfalls impliziert das die Begeisterung, die der geniale Artikel meines Göttergatten über die FB-Jugend hervorgerufen hat … 🙂

Gut. Böse kann ich auch.

Diese Woche wurde wieder die alljährliche Berufs-Image-Studie veröffentlicht. Und – oh Wunder! – Versicherungsvertreter haben keinen guten Ruf!

Natürlich haben sie keinen guten Ruf, das schlechte Image haben sie sich ja auch hart erarbeitet!

Wieso aber haben „schlechte“ Versicherungsfuzzis überhaupt Erfolg?
Immerhin hat irgendwer die ganzen Policen, deren Provisionsertrag den Maklern/Vertretern/Verkäufern ihr auskömmliches Gehalt sichern, auch unterschrieben!
Genau, wie niemand das sogenannte „Assi-TV“ – ob jetzt Mallorca, säuft sich ins Koma oder Frauentausch (früher war das Dallas oder Denver Clan) – schaut, genauso wenig hat jemand diese Versicherungen gekauft …
Nein, es passiert nur den anderen und außerdem ist der Verkäufer Schuld!

Dazu gibt es in Bankenkreisen ein böses Sprichwort:
80 % aller Kunden sind dumm.  Die restlichen 20 % sind saudumm.

Natürlich ist das Quatsch.
Aber es ist tatsächlich oft so, dass die Finanzkundschaft ihren Verstand zu Hause zu lassen scheint, wenn es um die eigenen finanziellen Belange geht. Getreu dem Motto: „Das verstehe ich ja eh nicht, also versuche ich es gar nicht erst.“
So geben sie sich vollkommen wehrlos in die Hand des Verkäufers/Beraters/Maklers ihrer Wahl. Und gehen mit einem latent schlechtem Gewissen und einem nicht verstandenen Vertrag nach Hause.

Denn natürlich weiß jeder Kunde sehr wohl, dass er sich eigentlich hätte Gedanken machen müssen, dass er sich die Unterlagen hätte durchlesen sollen und dass er niemals etwas hätte unterschreiben sollen, was er nicht versteht.
Aber er macht es trotzdem.

Also: Wenn es den Provisionsgeiern so leicht gemacht wird, warum wundert es, dass solch leichte Beute dann auch dementsprechend über den Tisch gezogen wird?
So drängt sich der Schluss auf, dass die Kunden es einfach nicht anders wollen.  Offensichtlich ist es einfach bequemer, hinterher auf den bösen Vertreter zu schimpfen als sich vorher selbst mit der Materie zu beschäftigen.
Ich rede ja nicht davon, dass der Kunde sich monatelang mit Fachthemen beschäftigen soll, dafür gibt es ja Spezialisten wie mich.
Ich rede davon, einem Beratungsgespräch mit wachem Geist zu folgen, mitzudenken und Fragen zu stellen.
Verstehen
zu wollen.

Stattdessen wird wie immer alles über einen Kamm geschert. Auch bei den Versicherungsfuzzis gibt es Solche und Solche.
Ok, ehrenhafte Profis sind eher selten. Aber SO selten auch wieder nicht!

Unsereins predigt sich also die Kehle wund, damit die (hoffentlich zukünftige) Kundschaft doch bitte mal über ihre Altersvorsorge nachdenken möge – und trotzdem verkaufen die Provisionsgeier selbst das schlechteste Produkt als wäre es Freibier.

Drum wird flugs nach dem Staat gerufen, der doch bitte die bösen Auswüchse der Finanzindustrie einzudämmen hat – und so wird reglementiert.
Bürokratie bis zum Abwinken, Blätterstapel, die zu lesen kein Mensch mehr die Zeit hat, werden vorgeschrieben.
In Wahrheit ist es mit den ganzen Aufklärungspflichten noch einfacher geworden, Finanzprodukte an den Mann zu bringen. Jetzt ist es tatsächlich für einen Nicht-Profi schwierig, aus dem ganzen Informationswust die Spreu herauszufiltern. (Ein wunderbares Argument für den Verkäufer: „Jaja, lesen Sie sich das alles durch! Das wichtigste habe ich ihnen ja bereits gesagt. Sie wissen ja, dass da auch viele Dinge drinstehen, die sie nicht interessieren müssen, aber unterschreiben Sie mir doch bitte, dass Sie alles gelesen und verstanden haben!“- Welcher Kunde sagt angesichts 40 eng beschriebener DIN-A 4 Seiten nicht, dass er dann doch lieber den Verkäufer verstanden hat?)

Und am Ende ist der Verkäufer fein raus. Denn der Kunde unterschreibt trotzdem. Er unterschreibt sogar, dass er freiwillig den Kopf in die Schlinge gelegt hat. Klasse Geschäft – und haftungsfrei!
Da kann die Finanzindustrie auf die paar Kunden, die aus lauter Angst vor einer Fehlentscheidung gar nichts mehr entscheiden, gut verzichten. Den entgangenen Profit holt man über neu aufgelegte undurchsichtige Produkte (Freibier!) doch locker rein.

Es macht nun einmal etwas Mühe, sich mit einer unbekannten Materie zu beschäftigen. Es ist nun einmal unbequem, sich mit den eigenen finanziellen Problemen (die meistens lösbar sind) zu befassen.
ABER: Es geht doch schließlich bei solchen Entscheidungen nicht darum, ob der Einbauherd vielleicht doch nicht die versprochenen Selbstreinigungskräfte besitzt oder das Auto 7,6 statt 5,7 Liter Benzin verbraucht – es geht im Zweifelsfall um die komplette Existenz einer ganzen Familie, mindestens um das eigene persönliche Wohl!
Viele Menschen verbrauchen mehr Zeit (und Gehirnschmalz) mit der Auswahl ihres neuen Fernsehers als mit der Auswahl der richtigen Altersvorsorge… das sollte uns zu Denken geben!

Mir jedenfalls macht es Sorge.

Und die Image-Schelte ändert an einer versauten (oder nicht vorhandenen) Altersvorsorge auch nichts mehr…